Das Neue Jahr begann für mich mit dem Lesen von "Entwürfe zu einem dritten Tagebuch" von Max Frisch
(Suhrkamp Verlag, 2010). Er hat es um 1982 mit 71 Jahren geschrieben.
Das Buch rührt mich sehr, vergleichbar vielleicht mit "Hurt" gesungen von Johnny Cash.
Max Frisch beherrscht eine präzise, schlichte Sprache. Spärliche Worte werden richtig gesetzt.
Er erzählt seinen Alltag, täglich schreibt er etwas nieder und redigiert es selbst bis zur Essenz.
Manchmal steht dort nur noch ein Satz auf einer Seite für einen Tag.
Wenige Themen finden statt, der sterbende Freund, er denkt über Israel nach, den drohenden Atomkrieg, die jüngere Freundin, die ihn gegen Ende dieses Tagebuches verlässt, die tägliche Arbeit, das Vergessen, er erzählt von Telefonaten mit seiner Übersetzerin, beschreibt seine Wohnorte, Wohnungen und Häuser in New York und Zürich.
Die Einträge sind Parabeln über Leben, Politik, Liebe, Arbeit und Tod.
"Hänge ich am Leben?
Ich hänge an einer Frau.
Ist das genug?"
Er präzisiert kulturelle Unterschiede, nicht zuletzt durch die beschriebenen verschiedenen Sichtweisen von ihm und seiner amerikanischen Freundin Alice.
"Es gibt in Amerika alles-
nur eins nicht:
Ein Verhältnis zum Tragischen."
Max Frisch ergibt sich keiner Tragödie, sondern verhält sich und hinterfragt cool.
"Warum findet man sich nicht endlich ab (mit der geschlechtlichen Impotenz) und ein für alle mal?
Weil in Träumen die Sexualität nicht schwindet, im Gegenteil, und weil auch auf Impotenz kein Verlass ist."
Seine Geschichte wird brüchig und leise.
Das als Buch angelegte Tagebuch ist zu seinen Lebzeiten nicht mehr veröffentlicht worden, sondern posthum erst 2010.
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