Sunday, December 14, 2014

Johan Huizinga - Das Spielelement der Kultur


Spieltheorien nach Johan Huizinga von Georges Bataille, Roger Caillois und Eric Voegelin

Der Niederländer Johan Huizinga (1872-1945, Super Typ) untersuchte in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts die Rolle des Spiels in der Kultur, welche seiner Meinung nach anfänglich gespielt wird, also durch Spiel entsteht.
In dem feinen Büchlein "Das Spielelement in der Kultur", erschienen 2014 bei  Matthes und Seitz, ist seine Schrift "Homo Ludens" ergänzt mit Theorien von Bataille, Caillois und Voegelin und eigenen Texten von Knut Ebeling zusammengebracht worden.

Der Humanist Huizinga erkannte die Eigenständigkeit im Verhältnis zu, aber auch ausserordentliche Bedeutung des Spiels für die Kultur. Indem ein Spiel kreiert wird, entstehen neue Voraussetzungen innerhalb der Welt, nach denen frei gehandelt werden kann. Zeit, Raum und Abhängigkeiten sind wählbar. Alle Beteiligten binden sich freiwillig für den Spielzeitraum an die Spielregeln. Spiel ist zunächst sinnbefreiter Raum, in welchem man sich aufhält, ohne den Grund dafür zu hinterfragen. 
"Das ist die allgemeine Ökonomie des Kindes: Das Spiel hat mehr Wert als der Zweck und die Verausgabung mehr als die Handlung." (Aus dem Nachwort von Knut Ebeling) 
Das Spiel ist frei, da Unabhängigkeit vom Alltag besteht, es ist ein "gewollter Ausnahmezustand". (Caillois) 
Ausgerechnet die selbstgewählten Grenzen befreien den Spielenden.
"Der Mensch beginnt nicht mit der Freiheit, sondern mit der Grenze des Unübertretbaren" (Bataille)
Heuzinga beobachtet, dass das Spiel in sehr freudige und ekstatische Zustände führen kann. Es ist eine Handlung, ein Drama, Streit, Wettkampf.
Im Wettkampf liegt zwar ein evolutionsbiologischer Grund für das Spiel, denn die Besten werden sichtbar. Sehr viele Spiele sind jedoch sinnbefreit.  Heuzinga erkennt im Spiel eine selbstständige Kulturhandlung.
In dieser Kulturhandlung wird das Bewusstsein verändert: Ohne, dass sich die Teilnehmer selbst über die Wirklichkeit betrügen, begeben sie sich in eine erweiterte und in sich begrenzte Realität. Sie spielen sich selbst etwas vor.
Nach Platon führt sogar ein verborgener Gott die Welt auf, er spielt sie, die Menschen sind sein Spielzeug. Demnach ist das Spiel auf Erden die höchste Tätigkeit.  "So muss denn jedermann, ein Mann so gut wie eine Frau, dieser Weise folgen und die schönsten Spiele spielend das Leben leben..."
Das Spiel selbst ist für Huizinga überflüssig. Genau damit steht es für einen höheren Sinn auf der Welt. Denn es generiert überfunktionalen Sinn. So ist es ein Katalysator von Kunst und Philosophie. Es geht nicht um die Inhalte, sondern das Verhandeln, die unbeabsichtigte Produktion derselben.
Der Spielende verhält sich souverän, indem er das sinnlose Spiel selbstbestimmt der sinnvollen Arbeit gleichsetzt.
Ebeling fügt zur Arbeit einen interessanten Exkurs zu Hegel ein:
Hegel definiert den Unterschied von Knecht und Herr dadurch, dass der Knecht die Arbeit wählt und akzeptiert um nicht zu sterben. Der Herr jedoch nimmt das Risiko des Todes auf sich. Seitdem Krieg zur Arbeit geworden ist (Berufssoldaten), ist dem Knecht die Souveränität seiner Entscheidung für die Arbeit und gegen den Tod abgenommen worden: Jetzt ist der Tod Teil der Arbeit. 
"Das Denken, das Arbeit und Zwang begründeten, hat bankrott gemacht. Nachdem es der Arbeit, dem Nützlichen die monströse Rolle zugesprochen hat, die man nur zu gut kennt, ist es an der Zeit, dass das freie Denken sich daran erinnere, dass es zutiefst ein Spiel ist (ein tragisches Spiel) und dass die ganze Menschheit, die gleich ihm ein Spiel ist, im Vergessen desselben nichts gewonnen hat, als die Zwangsarbeit unzähliger sterbender Soldaten." (aus dem Nachwort von  Knut Ebeling)
Es ist demnach höchste Zeit, den Zusammenhang von Spiel und freiem Denken im Gegensatz zur Arbeit wieder zu bewerten.
Batailles Kulturkritik lautet: Die Menschheit "sei nur zum Spielen da - und sie hat sich auf den Ernst der Arbeit verlassen."
Uneinig sind sich die Philosphen über das Verhältnis vom Spiel zum Heiligen:
Die Spielhandlung ist nach Huizinga heilig, denn sie wird nicht begründet. 
Caillois erkennt darin im Gegensatz zu Heuzinga den wesentlichen Unterschied zum Heiligen: Dort ist alles Inhalt, welcher unantastbar ist, in Riten und durch Handlungen immer weiter gefestigt werden muss. 
Man ist sich zudem uneins, was alles zum Spiel gehört: Unter anderem werden in diesem sehr abwechslungsreichen und empfehlenswerten Büchlein das Glücksspiel, der Wettkampf, die Spiele der Wirtschaft/Banken, religiöse Spiele, Kinderspiele oder auch das Liebesspiel ( "Es ist die Abwechslung von Spannung und Lösung" Huizinga) behandelt.
Super Typ, Super Buch.

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